Die Vier-Tage-Woche: Ifo-Präsident Fuest schlägt Alternative vor

Weniger Stress, höhere Produktivität, mehr Zeit. Die Vier-Tage-Woche erscheint vielen verlockend. Vor allem bei gleichbleibendem Gehalt. So fordert die IG in Deutschland seine Einführung. Eine Alternative kommt vom Ifo-Präsidenten Clemens Fuest.

Unternehmen in aller Welt erproben das alternative Arbeitszeitmodell zur klassischen Fünf-Tage-Woche. Mit der Wunschvorstellung aller Beschäftigten, dass dieses neue Konzept bei vollem Lohnausgleich umgesetzt wird. Tatsächlich gibt es aber verschiedene Varianten der Vier-Tage-Woche.
 
So verlangen einige Unternehmen das gleiche Arbeitsvolumen, das man nun in nur vier statt fünf Tagen abarbeiten soll. Dadurch wird die Arbeitszeit bei einer üblichen 40-Stunden-Woche auf 10 Stunden pro Tag ausgedehnt. Andere Unternehmen belassen es bei der herkömmlichen Tagesordnung. Bei einigen wird der Lohn hier gekürzt, während die übrigen die übliche Vergütung beibehalten.

4-Tage-Woche im Einsatz rund um die Welt

In Island haben Erwerbstätige seit 2021 einen gesetzlichen Anspruch auf eine 35-Stunden- und Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich. In Belgien ist sie gesetzlich verankert, allerdings ohne Verkürzung der Wochenarbeitszeit. Und in Großbritannien war das Pilotprojekt so erfolgreich, dass die Unternehmen das Modell gleich beibehalten wollten. Nun wird das alternative Arbeitszeitmodell auch in Deutschland zunehmend zu einem zentralen Thema. Vor allem bei der Industriegesellschaft Metall.
 
Zwar arbeitet bereits heute fast die Hälfte der Beschäftigten in der Stahlindustrie weniger als 35 Stunden. Dennoch hat die IG Metall für die Herbsttarifrunde eine Reduzierung auf 32 Stunden, verteilt auf vier Tage, bei vollem Lohnausgleich diskutiert. Sie argumentiert mit zahlreichen positiven Aspekten, die auch von einer Reihe von weltweiten Studien belegt werden: mehr Ruhe, die es den Beschäftigten ermöglichen würde, effizienter und produktiver zu arbeiten; Einsparungen bei Energie und CO₂; mehr Zeit für die Familie; und entsprechend auch ein Vorteil für die Gewinnung von Fachkräften – die verkürzte Wochenarbeitszeit erweist sich als besonders attraktiv für Eltern.

Für Unternehmen nicht finanzierbar?

Doch dieses neue Modell ist nicht so rosig, wie es auf den ersten Blick klingt. Auch die IG Metall warnt, dass dieses Konzept nicht für jeden Betrieb geeignet ist. Es kann bei gleichbleibender Wochenarbeitszeit sogar zu mehr Stress führen als bisher. Ifo-Präsident Fuest äußert sich in einer Presseerklärung entsprechend gegen das neue Arbeitszeitmodell aus. Vor allem bei unverändertem Monatslohn. „Für die Unternehmen wäre das nur dann finanzierbar, wenn die Produktivität der Beschäftigten im gleichen Umfang steigen würde – sie also an vier Tagen das leisten, wofür sie heute fünf Tage brauchen“, schreibt Fuest im ifo Standpunkt 249. Die Produktivität könne bei kürzerer Arbeitszeit zwar durchaus zunehmen, aber kaum in diesem Umfang.
 
Für den ifo-Präsidenten erscheine es abwegig, in einer Volkswirtschaft wie Deutschland, in der wegen des demografischen Wandels die Arbeitskräfte immer knapper würden, kürzere Arbeitszeiten auch noch gesetzlich vorzugeben oder zu fördern. In der Industriegesellschaft hingegen kann die entfallende Arbeitszeit problemlos kompensiert werden. “Zum einen steigt bei kürzeren Arbeitszeiten die Produktivität, da Beschäftigte mit kürzeren Arbeitszeiten einfach ermüdungsfreier, konzentrierter und effizienter arbeiten. Zum anderen sind Betriebe mit kürzeren und flexibleren Arbeitszeiten attraktiver für Beschäftigte. Arbeit und Leben werden besser vereinbar. Dadurch könnten Millionen Frauen gewonnen werden, die derzeit etwa wegen der Familie gar nicht oder nur in Teilzeit arbeiten können”, erklären sie auf ihrer Website.

Alternative zur Alternative?

Als Alternative zur Vier-Tage-Woche argumentiert Herr Fuest, dass Politik und Tarifpartner die Bedingungen vielmehr so gestalten sollten, dass Anreize für Erwerbstätigkeit gestärkt würden. „Dazu gehört es, beim Bürgergeld Teilzeitarbeit weniger und Vollzeitarbeit stärker zu fördern. Dazu gehört auch, die Kinderbetreuung weiter auszubauen, die Ehegattenbesteuerung zu reformieren und öffentliche Ausgaben zu begrenzen, damit Spielräume entstehen, Steuern und Abgaben auf Arbeitslöhne zu senken. Nicht zuletzt lässt sich Arbeitskräfteknappheit auch durch höhere Löhne lindern.“
 
Der Autor Lorenz Illing hingegen präsentiert ein völlig neues Konzept in seinem Blogbeitrag “No-Meeting Tuesday – die beste Alternative zur starren 4-Tage-Woche”. Ziel ist es, die Produktivität durch mehr “Deep Work” zu steigern. Das bedeutet, Arbeiten ohne Unterbrechung. Und das ist seiner Meinung nach durch Meetings, E-Mails, Telefonate, Kurzanrufe und Fragen kaum zu schaffen. “Denn: wenn ich auch nur für ein Minütchen aus meinem Tunnel herausgerissen werde, brauche ich locker ganze 10 bis 15 Minuten, um in meinem Thema wieder auf Touren zu kommen”, führt er aus. Ein Tag pro Woche soll entsprechend von diesen lästigen Tasks befreit werden. In seinem Fallbeispiel wurde hierfür der Dienstag gewählt. “Das einfache “Zugreifen” auf andere Mitarbeitende ist an diesem Tag wie an einem Sonntag zu betrachten: Würde ich die Person jetzt auch auf einem Sonntag kontaktieren?”, beschreibt Herr Illing. (ifo/igmetall/augsburgerallgemeine/futureorg/signals)
Wofür steht signals.observer?

Der Mittelstand ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Entsprechend groß sind die Auswirkungen, die von den vielfältigen Veränderungen für ihn ausgehen. Das Magazin “signals.observer” erklärt diese Veränderungen, lässt Expert:innen zu Wort kommen und zeigt auf, wie andere Unternehmen dieselben Herausforderungen für sich lösen.

Dabei ist es uns wichtig, Entscheider:innen im Mittelstand eine Bühne zu bieten, auf der Ihre Anliegen, Belange und Interessen vermittelt werden.

Wir sind mittelstandsfreundlich. Innovationen machen uns neugierig. Und in Technologien sehen wir die Lösung.

Herausgeber ist das futureorg Institut – Forschung und Kommunikation für KMU mit Sitz in Dortmund/NRW.

"Wir erzählen Mittelstand"
Das Magazin für Entscheider:innen