Strategie für Nachhaltigkeit: Verantwortung nicht an Technologien delegieren

Steigende Energiepreise, die Coronapandemie und die Klimakrise verändern das Mobilitätsverhalten der Deutschen so stark wie nie zu vor. Auch Unternehmen denken um. Karsten vom Bruch, Maschinenbauingenieur, macht sich Gedanken über angepasste Mobilität der Zukunft und empfiehlt Mittelständlern für ihre Nachhaltigkeitsstrategien, nicht einseitig nur auf Technologien zu vertrauen.

Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder erklärt: “In der Mobilität erleben wir eine Zeitenwende, die diesen Begriff verdient. Die Menschen steigen aufs Rad oder ersetzen den eigenen Wagen durch Carsharing. Mithilfe digitaler Technologien in der Verkehrsinfrastruktur und bei neuen Mobilitätsangeboten haben wir die Chance, jetzt die Weichen für eine nachhaltigere Mobilität zu stellen, die für die Breite der Bevölkerung verfügbar und bezahlbar ist.”

Objektive Zweifel an der Alternative

Aus einer Bitkom-Studie ergibt sich, dass die meisten Leute angaben (55 Prozent) ihr Mobilitätsverhalten aufgrund der Klimakrise verändert zu haben. Der Umstieg von Verbrenner auf Elektroauto ist in diesem Fall nur ein Beispiel der alternativen Mobilitätsangebote. Ein Angebot, das laut Karsten vom Bruch, Geschäftsführer bei Zukunftsschwärmer UG und Partner bei den Unternehmensdemokraten, vielfältig ausgestaltet werden muss.
 
“Objektive Zweifel an einer ausschließlichen Umstellung der Antriebstechnologie weckt bei mir unter anderem die Rohstoffversorgung. Es ist einfach bis jetzt nicht absehbar, wie man mit den bisherigen Technologien in vertretbarer Weise ausreichend Rohstoffe für die Akkuproduktion zur Verfügung stellen kann, zumal die gesamte Energiewende weitere, gigantische Stromspeicher erfordert”, erklärt er.
 
Die Recycling-Frage sei bisher auch nur theoretisch geklärt, aber noch nicht großtechnisch realisiert. Zudem erinnert vom Bruch, dass Elektrofahrzeuge immer schwerer werden. “Wenn ich in Richtung Klimaschutz zwar auf Elektromobilität setze, die SUVs nachher aber noch mal schwerer sind, dann ist meiner Meinung nach bei der Zieldefinition etwas ganz grundsätzlich missverstanden worden.”

Der Gewinner der Mobilitätswende

Der große Gewinner der Mobilitätswende ist das Fahrrad. Laut der Studie benutzen 39 Prozent das Fahrrad häufiger als zuvor. Karsten vom Bruch entschied sich etwa für ein E-Bike. “Mein Umstieg auf Elektromobilität sah zunächst so aus, dass ich mein 16 Jahre altes Fahrrad mit einem richtig starken E-Bike Antrieb nachgerüstet habe. Sodass ich meinen noch älteren Kinderfahrradanhänger dranhängen und heute für Lasten und Einkäufe nutzen kann.” Er möchte aufzeigen, dass man nicht immer Neues kaufen muss, sondern auf bestehende Alternativen zurückgreifen kann. “Dabei kann man auch viel Spaß haben.”
 
Der Maschinenbauer, der unter anderem für Bosch tätig war, macht darauf aufmerksam, dass die Auswahl an Mobilitätsalternativen groß ist. Von On-Demand Angeboten, wie Ridepooling oder Ridehailing zu Bike-, E-Scooter, Moped- und Auto-Sharing. Diese Angebote treffen auf immer mehr Akzeptanz. Weniger beliebt sind die bestehenden Nahverkehrsangebote. Hingegen steigt die Bereitschaft zur Nutzung autonomer Verkehrsmittel, so die Bitkom-Studie.

Der Werkzeugkasten soll differenziert sein

Wobei die große Mehrheit der Bitkom-Befragten für die nahe Zukunft nicht mit einem entsprechenden Angebot in der Breite rechnet. „Deutschland ist, was den Rechtsrahmen für das autonome Fahren angeht, ein europäischer und weltweiter Vorreiter. Jetzt muss es darum gehen, entsprechende Angebote auch wirklich auf die Straße zu bekommen. Das kann durch bestehende ÖPNV-Anbieter passieren, aber auch durch neue Anbieter, die sich auf autonomes Fahren spezialisieren“, so Bitkom-Chef Rohleder.
 
An die Politik richten die Bürgerinnen und Bürger den Appell, mehr digitale Technologien zur Verbesserung der Mobilitätsangebote einzusetzen. Denn sie sehen in neuen Mobilitätsangeboten eine Chance, die aktuellen Herausforderungen zu meistern. 89 Prozent sind überzeugt, dass mit ihnen die Lebensqualität auf dem Land erhöht werden kann. 82 Prozent glauben, dass ihre Nutzung ein Beitrag zum Klimaschutz ist und 79 Prozent meinen, dass digitale Technologien allgemein einen Beitrag zum Klimaschutz leisten können.

Was Mittelständler tun können

Doch Karsten vom Bruch appelliert an die Adresse mittelständischer Unternehmen, dass man nicht nur auf Technologien fixiert sein sollte. “Technologien allein lösen kein Problem”, erklärt er. Der Werkzeugkasten zur Lösung heutiger Probleme sei wesentlich differenzierter: “Die Entscheiderinnen und Entscheider sollten aufhören, ihre Verantwortung für die Lösung von Problemen an anonyme Technologien zu delegieren. Sie sollten stattdessen bei jeder Herausforderung, auch unter Beteiligung der Beschäftigten, einfach mal out-of-the-box denken und den naheliegendsten Weg beschreiten.”
 
“Längst vergessene Alternativen” können ebenfalls Probleme lösen. Dazu gehöre das “gute, alte Fahrrad”. Oder einfach das eigene Verhalten gemäß den individuellen Randbedingungen anpassen. “Neben Technologieoffenheit muss wieder eine verantwortungsorientierte Verhaltensoffenheit treten. Sonst wird das nichts”, meint Karsten vom Bruch. (bitkom/fututeorg/signals)
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