Künstliche Intelligenz: Kann ChatGPT Goethe schlagen?

„Lieber Mittelstand, euer Buzzword-Alarm muss schrillen“ – Kamuran Sezer warnt: Die Digital-Experten von gestern seien die KI-Versteher von heute. In seinem Meinungsartikel macht Kamuran deutlich, dass ChatGPT den Menschen weder die Schreibarbeit noch das Denken abnimmt. Sein Nutzen ist ein anderer.

Es ist bemerkenswert: Schlagartig sind alle Experten für Künstliche Intelligenz. Manche hielten bis vor ein paar Wochen Vorträge über Social-Media-Marketing. Jetzt sind sie Keynote-Speaker über die Chancen, die ChatGPT für Unternehmen zu bieten scheint. Sie kennen heute schon die „Auswirkungen von KI auf die Arbeitswelt von morgen“.

Diese KI-Experten

Dabei hieß es vor nicht allzu langer Zeit, dass der deutsche Mittelstand die Digitalisierung verpasst. Wann ist es ihm gelungen, KI-Technologien einzuführen? Und wann hatten diese Experten Gelegenheit, ihre Auswirkungen auf die Arbeitswelt zu beobachten? Mit welcher Rekordgeschwindigkeit ist es ihnen gelungen, ihre Beobachtungen auszuwerten und mit einer Veröffentlichung ihre Erkenntnisse dem öffentlichen Diskurs zu stellen?
 
Lieber Mittelstand, euer Buzzword-Alarm muss unüberhörbar schrillen.
 
Die Wahrheit ist, ChatGPT ist beeindruckend. Auf dem Weg in eine Wirtschaft, in der KI-Technologien eine herausragende Rolle spielen werden, sind wir einen entscheidenden Schritt weiter.

ChatGPT rechnet Wahrscheinlichkeiten aus

Zur selben Wahrheit gehört auch: Die Künstliche Intelligenz denkt nicht. Deswegen nimmt sie uns das Denken und damit auch Entscheidungen nicht ab. Im besten Fall erweckt sie den Eindruck, Denken zu praktizieren. In Wirklichkeit aber ist ChatGPT – dank stetig wachsender Rechnerleistung – eine außergewöhnlich starke Maschine zur Berechnung von Wahrscheinlichkeiten.
 
ChatGPT tut nichts anderes: Es rechnet, mit Zugriff auf bereits bekannte Datenbanken wie Wikipedia, Wahrscheinlichkeiten aus, welches Wort auf das Nächste folgen könnte. Informatiker und Kommunikationswissenschaftler nennen dieses Prinzip: Entropie. Ändert sich die Ausgangsfrage oder der Inhalt einer Datenquelle leicht, verändern sich die Wahrscheinlichkeiten. So entsteht der Eindruck, dass eine Maschine einen individuellen Text schreibt.

ChatGPT wie einen alten Bekannten behandeln

Wie sollte mit ChatGPT umgegangen werden? Ich empfehle, es wie einen alten Bekannten zu behandeln, den man um seine Meinung fragt. Es ist gut, eine zweite Meinung einzuholen. Manch einer nutzt sie, um Schreibblockaden zu überwinden. (Lesen Sie dazu die Kommentare unter meinem Post auf LinkedIn.) In den vergangenen Wochen testete ich ChatGPT und andere sogenannte KI-Textgeneratoren aus. Mein Fazit: ChatGPT und Co. nehmen mir die Schreibarbeit nicht ab. Ihr Vorteil liegt im Textdesign.
Wird ChatGPT und Co. den Menschen die Schreibarbeit abnehmen? Das erkennen wir erst, wenn sie Goethe schlagen. „Deutschlands bester Deutschlehrer“, wie Welt am Sonntag Journalist Wolf Schneider bezeichnet hat, schrieb mit Blick auf Korrekturfunktionen von Microsoft Word und Co., dass das bloße Zählen nicht zum Ziel führt:
 
„Der Schluss von Goethes Ballade ‚Der Fischer‘ besteht aus 5 Hauptsätzen, getrennt durch 3 Kommas, 1 Semikolon und 1 Doppelpunkt:
 
Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm;
Da wars um ihn geschehn:
Halb zog sie ihn, halb sank er hin,
Und ward nicht mehr gesehn.
 
Sind das nun 5 Sätze (von maximal 8 Wörtern) oder 1 Satz von 26 Wörtern? […] Dieser Satz wäre dann laut Microsoft zu lang – ein offenkundiger Unsinn. Überhaupt: was vor und hinter dem Doppelpunkt oder dem Semikolon steht – ergibt das zwei Sätze oder einen? Das bloße Zählen führt nicht zum Ziel.“ (Aus: Wolf Schneider: Deutsch für junge Profis – wie man gut und lebendig schreibt, Rowohlt Taschenbuch Verlag, 14. Auflage 2022) (futureorg/signals)
Wofür steht signals.observer?

Der Mittelstand ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Entsprechend groß sind die Auswirkungen, die von den vielfältigen Veränderungen für ihn ausgehen. Das Magazin “signals.observer” erklärt diese Veränderungen, lässt Expert:innen zu Wort kommen und zeigt auf, wie andere Unternehmen dieselben Herausforderungen für sich lösen.

Dabei ist es uns wichtig, Entscheider:innen im Mittelstand eine Bühne zu bieten, auf der Ihre Anliegen, Belange und Interessen vermittelt werden.

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Herausgeber ist das futureorg Institut – Forschung und Kommunikation für KMU mit Sitz in Dortmund/NRW.

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