- 24. Februar 2023
“Wir verkaufen keine Immobilien, wir helfen den Leuten, sie zu kaufen”
Die Beziehung zu den Menschen ist das Wichtigste für den Erfolg eines Unternehmens. Davon ist Pablo Gasalla, Geschäftsführer einer uruguayischen Immobilienfirma überzeugt. Dazu, wie er erfolgreich seine Teammitglieder motiviert und ein Familienunternehmen führt.
Sali Abbas, Redakteurin
Redakteurin mit Hintergrund in der interkulturellen Sprachwissenschaft. Interessiert an Gesellschaftsthemen, Diskussionen, Kunst und Literatur.
Zwei Menschen, an einem Ort, abseits ihrer Heimat Uruguay. Die Eltern dieses Familienunternehmens lernten sich in den 80er-Jahren in Argentinien kennen, verliebten und vermehrten sich. Das Leben in Buenos Aires brachte ihnen jedoch nicht das, was sie sich erhofften. Die Lebensbedingungen genügten nicht ihren Vorstellungen. So beschloss die fünfköpfige Familie, in ihr Heimatland zurückzukehren. Und da der Familienvater, Daniel Gasalla, dort schon vorher in Immobilien investiert hatte, ergab es sich für ihn, mit der Rückkehr ein Immobilienunternehmen zu gründen, das später die Generationen der Familie beherbergen sollte.
“Tja, und so begannen wir unser Geschäft”, beschreibt Pablo Gasalla, Sohn des Gründungsvaters und heutiger CEO von Gasalla Negocios Inmobiliarios. Sein Werdegang verlief nicht so geradlinig, wie man zunächst annehmen würde. Tatsächlich entschied sich Pablo nach seinem Schulabschluss für ein Studium zum Agronomie-Ingenieur. Er plante, nach Neuseeland zu ziehen und in dieser Branche zu arbeiten. Doch in der Übergangsphase zwischen seinem Studium und der Abreise verbrachte er die meisten Stunden im Familienbetrieb und lernte ihn zu lieben. “So ist es gekommen, ich blieb in Uruguay, wurde Teil des Unternehmens und Jahre später bin ich der Geschäftsführer.” Inzwischen kommt sein Vater nur noch vorbei, um ihn zu beraten, schließlich hat er jahrelang wertvolle Erfahrungen gesammelt. “Und so bleibt er an seinem Projekt beteiligt.”
Das Leben eines Unternehmers verläuft eben nie ganz nach Plan. Diese Schachzüge des Schicksals empfindet Pablo als sein heutiges Glück.
“Unsere Aufgabe ist es, für die Kunden da zu sein”
Heute zählt ihr Unternehmen drei verschiedene Zweige: das traditionelle Immobiliengeschäft, ein Bauunternehmen und auch einen Beratungsdienst für diejenigen, die nicht wissen, was sie mit ihrem Besitz anfangen sollen und jemanden benötigen, der den Markt analysiert und einen Geschäftsplan erstellt. Sie stellen sich diversifiziert auf. Ihr Hauptsitz befindet sich in Piriápolis, 100 km von der Hauptstadt entfernt. Ein zweites Büro in Punta del Este. Zwischen den Bergen und dem Meer. Im Sommer füllen Touristen den Ort, im Winter, wenn die Saison endet, ist er umso leerer. Doch nicht selten werden die Touristen des Ortes zu den Kunden des Unternehmens.
“Uruguay bietet eine wunderschöne Landschaft. Viele Menschen nehmen sich hier gerne eine Auszeit. Unsere Aufgabe ist es, die beste Lösung für die Bedürfnisse unserer Kunden zu finden.” Gasalla Negocios Inmobilarios berät beim Kauf, Verkauf und der Vermietung von Häusern, Wohnungen, Bauernhöfen, Feldern und Grundstücken. Aber auch bei der Verwaltung und Investition. In diesem Zusammenhang betont Pablo, dass sich die Form der Beratung in den vergangenen Jahren stark verändert hat. “Früher hatten wir große Ordner mit Ausdrucken unserer Angebote. Heute können die Kunden alle Immobilien, Grundstücke und vieles mehr online finden. Unsere Aufgabe ist es vor allem, für die Kunden da zu sein, ihnen etwa die Immobilie zu zeigen und sie zu beraten. Wir sagen hier immer: Wir verkaufen keine Immobilien, wir helfen den Leuten, sie zu kaufen.”
Ehrlichkeit wird belohnt
Das bedeutet auch, dass sie gelegentlich Abstriche bei den Einnahmen machen müssen. Denn Ehrlichkeit ist ihr oberstes Gebot. “Manchmal müssen wir unseren Kunden ehrlich sagen, dass sie etwas nicht kaufen sollen. Und wenn wir dabei Geld verlieren, dann ist das eben so. Wir bleiben den Kunden gegenüber loyal.” Gerade dieser Ansatz zahlt sich aus. Ihre Ehrlichkeit wird dadurch belohnt, dass sie weiterempfohlen werden. So gewinnen sie mehr Kunden. “Das ist das Ergebnis, wenn man sich mit Menschen verbindet und ihnen hilft.”
Zu diesem Zweck nutzen sie auch ihren YouTube-Kanal. Mit über 200 Videos über Immobilien, Strategien und Gesetze klären sie die Öffentlichkeit auf und knüpfen Kontakte zu Menschen aus aller Welt. Mit der Botschaft: Wir sind deine Freunde und hier, um dir zu helfen. Aber warum sollten sie ihre Arbeit öffentlich machen und riskieren, dass weniger Menschen ihre kostenpflichtige Beratung in Anspruch nehmen? “Es hilft uns auch, Partner zu gewinnen. Andere Unternehmen, die sich unsere Videos ansehen, denen gefällt, was wir tun, und die deshalb bereit sind, ein gemeinsames Projekt durchzuführen. Oder uns weiterempfehlen.”
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Der Erfolg des Unternehmens wird auch durch ein Team von Fachleuten unterstützt, die nach Angaben des Unternehmens über eine große Erfahrung in diesem Sektor verfügen und effizient und transparent arbeiten. Derzeit sind 14 Personen in der Immobilienabteilung beschäftigt. “Wir sind eine Familie. Wenn jemand im Team ein Problem hat, kümmern sich die Kollegen um die Arbeit, die derjenige deshalb nicht machen kann. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein berufliches oder ein familiäres Problem handelt.
Umso wichtiger ist es für ihn, dafür zu sorgen, dass seine Mitarbeiter zumindest die Grundlagen der verschiedenen Bereiche seines Unternehmens kennen. So können sie aushelfen, wenn jemand vermisst wird. “Es ist hier auch schon vorgekommen, dass ein Vertriebsmitarbeiter eine Immobilie verkauft hat. Einfach weil er zur richtigen Zeit am richtigen Ort war.” Aber wie soll das möglich sein? Für Pablo ist das ganz einfach: “Natürlich schulen wir die Mitarbeiter in verschiedenen Disziplinen. Auch haben wir regelmäßige Treffen, bei denen wir die aktuelle Situation in jedem Bereich besprechen. Wir können alle zusammen an einem Ort sein. Jeder hört zu und lernt.”
Das wertvollste, was wir haben…
Als eine Gemeinschaft kommen sie auch außerhalb der Arbeit zusammen. “Wir gehen zu unseren Geburtstagen und feiern gemeinsam.” Umso wichtiger ist es für sie, die richtigen Leute an Bord zu haben. “Es spielt eine große Rolle, welche Art von Leuten wir in unser Team holen. Wenn es darum geht, jemanden einzustellen, bevorzugen wir jemanden, der weniger Qualitäten nachweisen kann, dafür menschlich besser passt“, erklärt Pablo mit Überzeugung. Der Schlüssel zum Erfolg ist der Umgang auf Augenhöhe.
Leistung zählt trotzdem. Bei den jährlichen Treffen prüfen sie ihre Ergebnisse – und hinterfragen sich. “Und manchmal muss man dann auf ein Teammitglied zugehen und ein ernstes Gespräch führen”, fügt Pablo hinzu und betont, dass sie versuchen, gute Leistungen für ihre Kunden und ein gutes Arbeitsumfeld für ihre Mitarbeiter zu gewährleisten. “Aus den USA und Europa hört man, dass es hauptsächlich um Effizienz geht, aber das Wertvollste, was wir haben, sind die Menschen, die mit uns arbeiten”, erzählt er leidenschaftlich.
Wenn man möchte, dass seine Mitarbeiter lange dabei bleiben, muss man dafür sorgen, dass sie stets zufrieden und motiviert sind. “Ich denke, das ist eine der größten Herausforderungen als Geschäftsführer – alle ständig bei Laune zu halten und das Geld manchmal in den Hintergrund zu stellen, weil die Beziehung zu den Mitarbeitern auf lange Sicht wichtiger ist.” Aber Pablo und sein Vater vor ihm haben diese Herausforderung mit Bravour gemeistert. Einige Mitarbeiter sind noch immer von Anfang an bei der Firma. Als ältestes Immobilienunternehmen in ihrer Stadt ist das eine große Leistung.
Modernität vs. Tradition
“Obwohl es uns schon seit 20 Jahren gibt, würde ich sagen, dass wir ziemlich modern sind. Wir gehen mit der Zeit und passen uns dem digitalen Zeitalter an. Viele Unternehmen sind gescheitert, weil sie ihren alten Stil beibehalten wollten.” Tradition ist für Pablo trotzdem wichtig. Das lernte er bereits von seinem Vater. Sie nutzen das Beste aus beiden Welten. Die alten moralischen Werte unterstützen ihre menschenzentrierte Denkweise. Die modernen Arbeitsstile machen sie wettbewerbsfähig.
Für die Zukunft wünscht sich Pablo, weiterzuwachsen. “Ich bin noch jung und habe viele Träume für das Unternehmen. Ich würde gerne zwei bis drei weitere Stellen eröffnen.” Über einen Aspekt macht er sich allerdings Sorgen: Je größer das Unternehmen wird und je mehr Mitglieder es gibt, desto schwieriger wird es für ihn, für alle persönlich da zu sein. “Wenn neue Büros hinzukommen, ist es meine oberste Priorität, dass dort jemand sitzt, der unsere Arbeitskultur kennt, liebt und lebt.” Im Idealfall sollte es sich um jemanden handeln, der schon lange dabei ist und den neuen Mitarbeitern die Werte des Unternehmens vermitteln kann. “Einander wertschätzen, füreinander da sein”.
Worauf beruhen diese Werte? Unterscheidet sich diese Mentalität, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, je nach Größe des Unternehmens? Oder spielt die Kultur am Ende eine größere Rolle? Pablo ist überzeugt, dass die Werte durch seine Kultur weitergegeben und verfestigt wurden. “Das ist in unserer Kultur. Natürlich will ich nicht sagen, dass wir besser oder schlechter sind als die Menschen in Europa oder den Vereinigten Staaten. Aber es liegt in den Genen der Südamerikaner, sich umeinander zu kümmern.” Das bedeutet, dass man sich auch nach den Problemen der Kinder, der Eltern und des Lebens im Allgemeinen erkundigt.
Von anderen lernen…
“Ich erinnere mich, als wir unsere Website erstellt haben. Wir haben von der Zillow-Website gelernt – das ist eine riesige Immobilienplattform in den Vereinigten Staaten, die eine Karte und eine Liste von Immobilien und Grundstücken aufzeigt. Das gab es hier noch nicht. Wir haben also von ihnen gelernt und diese Funktion implementiert”, sagt Pablo. Im Nachhinein haben andere Unternehmen von ihnen gelernt und waren begeistert, dass sie einen Standort über Google Earth angezeigt bekommen konnten. “Das war großartig. Ich bewundere selbst viele andere Unternehmen. Ich höre mir ihre Podcasts an, folge ihnen in den sozialen Medien.” Pablo ist einfach gestrickt. Er mag es, von anderen zu lernen, und er mag es auch, andere zu unterrichten. Der Gedanke an Wettbewerb ist verloren gegangen – mit einem guten Herzen wird man erfolgreich, und der eigene Erfolg ist nicht abhängig vom Erfolg oder Misserfolg anderer. (futureorg/signals)
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