Chips: Bei Lieferengpässen zahlt das Unternehmen?

Der Mangel an Halbleitern bleibt in Deutschland ein gravierendes Problem. 9 von 10 Unternehmen, die in diesem Jahr Halbleiter-Bauteile oder -Komponenten gekauft haben, hatten Schwierigkeiten bei der Beschaffung. Sie treffen strategische Maßnahmen gegen den Chip-Mangel.

Die Schwierigkeiten bei der Beschaffung der Halbleiter-Bauteile oder -Komponenten sind vielfältig: 97 Prozent der betroffenen Unternehmen machen Lieferverzögerungen zu schaffen, 93 Prozent sind mit Preiserhöhungen konfrontiert. Für 89 Prozent sind bestimmte Bauteile teilweise nicht verfügbar. Bei 88 Prozent wurden die Liefermengen reduziert.
 
Rund 5 Monate beträgt aktuell die durchschnittliche Lieferverzögerung bei Halbleiter-Bauteilen bzw. Komponenten in Deutschland. Damit bleibt die Verzögerung auf hohem Niveau: Vor zwei Jahren waren es 6,5 Monate. Das sind die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung im Auftrag des Digitalverbands Bitkom.

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Die Grafik “9 von 10 Unternehmen haben Probleme bei der Halbleiter-Beschaffung” können Sie hier herunterladen.

Halbleiter sind unverzichtbar

Für die allermeisten Unternehmen, die Halbleiterbauteile oder -komponenten verwenden, sind diese für das eigene Geschäft unverzichtbar (83 Prozent). 85 Prozent haben im aktuellen Jahr 2023 bereits Halbleiter gekauft. Oder werden es noch tun. 39 Prozent dieser Unternehmen wissen allerdings nicht, woher diese Halbleiter überhaupt kommen.
 
Asien dominiert als Produktionsstandort. So bezieht jedes vierte Unternehmen (25 Prozent) seine Halbleiter-Bauteile aus China und 17 Prozent aus Taiwan. Südkorea (10 Prozent) und Singapur (7 Prozent) gehören ebenfalls zu wichtigen Halbleiter-Lieferanten. Dem gegenüber stehen die USA, von wo 21 Prozent der deutschen Käufer ihre Halbleiter-Bauteile und -Komponenten beziehen.

Preis und Schnelligkeit entscheiden

Bei der Auswahl von Halbleiter-Lieferanten spielt das Herstellungsland bzw. der Hauptsitz des Herstellers eine vergleichsweise geringe Rolle. Viel wichtiger sind Faktoren der Wirtschaftlichkeit: 93 Prozent bezeichnen das Preis-Leistungs-Verhältnis als „äußerst wichtig“. 80 Prozent sagen dies über kurze Lieferzeiten und 69 Prozent über die Einhaltung der Liefermengen. Deutlich geringer sind die Werte für Kriterien, die auf die Reputation der Lieferanten bzw. geopolitische Spannungen sowie Handelskonflikte abzielen:
 
45 Prozent ist die Reputation des Lieferanten „äußerst wichtig“, 44 Prozent das Herstellungsland sowie 38 Prozent der Hauptsitz des Herstellers. „Es ist nachvollziehbar, dass Unternehmen, die auf Halbleiter angewiesen sind, in erster Linie solche Lieferanten auswählen, die günstig sind und pünktlich liefern. Gleichwohl stehen Halbleiter im Mittelpunkt starker geopolitischer Interessen. Wir sollten deshalb ein komplettes Ökosystem von Unternehmen rund Halbleiter in Deutschland und Europa aufbauen. So können wir Abhängigkeiten reduzieren und sind im Fall der Fälle weniger erpressbar”, sagt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst.

Stärkere Subvention in Deutschland gefordert

So sehen es auch die allermeisten Unternehmen in Deutschland, die Halbleiter-Bauteile und -Komponenten verwenden. 96 Prozent stimmen der Aussage zu, Deutschland solle die Förderung der heimischen Halbleiter-Industrie ausweiten. Bisher gibt nur jeder zwanzigste Käufer (5 Prozent) Deutschland als Produktionsland an.
 
Für welche Ziele ist eine Erhöhung der inländischen Produktion wichtig? Es werden sowohl Wettbewerbsfähigkeit (100 Prozent), technologische Souveränität (94 Prozent) und die nationale Sicherheit (93 Prozent) als besonders wichtig benannt. Wintergerst: „Die digitale Wirtschaft, insbesondere Unternehmen in den Bereichen Telekommunikation und Cloud Computing, sind ebenso auf Nachschub angewiesen wie klassische Industriezweige wie der Automobil- oder Maschinenbau.“

Maßnahmen gegen den Mangel

Viele Unternehmen haben sich auf den anhaltenden Chip-Mangel eingestellt und strategische Maßnahmen ergriffen, um ihn abzumildern. Viele davon betreffen die Beschaffung selbst: So haben 61 Prozent langfristige Vereinbarungen mit Lieferanten bzw. Anbietern getroffen. Die Hälfte sucht nach alternativen Lieferanten, z.B. in anderen Ländern (52 Prozent). Fast ebenso viele (47 Prozent) haben sich eine Multi-Vendor-Strategie aufgebaut, kaufen ihre Halbleiter-Bauteile also bei mehreren statt nur bei einem Anbieter. 
 
Forschung und Entwicklung spielen ebenfalls eine Rolle: 15 Prozent kooperieren in Forschung und Entwicklung direkt mit Chip-Herstellern. Jedes zehnte Unternehmen (11 Prozent) beteiligt sich an staatlich geförderten F&E-Projekten. Wintergerst: „Not macht erfinderisch – diese Lebensweisheit trifft auch auf die vom Halbleitermangel betroffenen Unternehmen zu. Wer der Krise aktiv begegnet und sich mehrere Standbeine aufbaut, wird resilienter und bleibt wettbewerbsfähig.“

Was die Politik tun kann

Die weit überwiegende Mehrheit der Unternehmen (94 Prozent) halten steuerliche und förderpolitische Anreize für Bestellungen bei Herstellern in Europa für eine besonders wichtige staatliche Maßnahme. 86 Prozent befürworten die Förderung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen in Zusammenarbeit mit der Chip-Industrie. 82 Prozent treten für die Förderung von mehr Transparenz bezüglich der Verfügbarkeit von Halbleitern und Halbleiter-Lieferketten ein. 81 Prozent fordern steuerliche und förderpolitische Anreize für Investitionen etwa in Chip-Design und -Fertigung.
 
Doch auch der Fachkräftemangel ist für den Halbleiter-Standort Deutschland ein gravierendes Problem. Aus Sicht von 73 Prozent der Unternehmen muss man dem durch eine gezielte Unterstützung der Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften im Bereich Mikroelektronik begegnen. Um zugleich den Nachwuchs aus dem Inland zu stärken, brauche es überdies Ausbildungszentren und Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen mit engerer Einbindung der Halbleiterindustrie direkt vor Ort. Insgesamt sind die Halbleiter verwendenden Unternehmen in Deutschland mit den Bemühungen der Politik noch nicht zufrieden: 92 Prozent sagen, es werde zu wenig unternommen, um die Versorgung mit Halbleitern sicherzustellen. (bitkom/futureorg/signals)
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