Ukraine-Krieg: die Folgen für den Mittelstand – Im Interview mit Thomas Knauff

Die Folgen der Corona-Pandemie werden derzeit von anderen Weltereignissen ergänzt: Die Konsequenzen des Ukraine-Kriegs spürt man überall. Der deutsche Mittelstand ist keine Ausnahme – wie von Thomas Knauff im Interview angekündigt.

Thomas Knauff ist Geschäftsführer bei der 1CTec Group GmbH in Würselen. Das 2020 gegründete Unternehmen hat in kurzer Zeit ein Portfolio von sechs operativ unabhängigen IT- und Softwarefirmen erworben, bei denen aktuell 56 Mitarbeitende tätig sind. Wie viele anderen Unternehmen bewegt sich die 1CTec Group in unsicheren Zeiten: Die Folgen der Corona-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine wirken auch auf den deutschen Mittelstand. Im Interview erläutert Knauff die Folgen der aktuellen Weltereignisse für sein Unternehmen.
 
Wir befinden uns zweifelsohne in schwierigen Zeiten: Corona-Pandemie, Krieg in der Ukraine. Viele Unternehmen spüren die Konsequenzen dieser Ereignisse. Ist das der Fall bei der 1CTec Group?
 
Ja, leider ist das auch bei uns der Fall. Wir wurden erst im Jahr 2020 gegründet, sind also ein recht junges Unternehmen. Die einzelnen Gesellschaften in unserer Gruppe wollen so das Thema Unternehmensnachfolge proaktiv und sehr frühzeitig lösen. Und somit sind wir eigentlich mit internen Konsolidierungs- und Transformationsvorhaben beschäftigt. Immer noch im Zuge von Auswirkungen durch die Pandemie müssen wir uns jetzt ergänzend den Folgen des Russland-Ukraine-Krieges stellen.
 
Welche konkreten Folgen spürst Du genau?
 
Unmittelbare Effekte, wie etwa Energiekostenpreise, haben sich auch bei uns ergeben. Beispielsweise durch Preiserhöhungen unseres Hostings-Dienstleisters, der ja eine energieintensive Gebäudeinfrastruktur für die von ihm vermieteten Server vorhalten muss. Zusätzlich wurden Kundenprojekte auf Eis gelegt oder gänzlich eingestellt. Wir beobachten eine starke Restriktion gegen Neuprojekte. Momentan ist die Unsicherheit für viele Unternehmen und Unternehmer einfach zu hoch. Viele Kunden fokussieren sich sehr stark auf die Analyse von potenziellen Kriseneffekten und damit verbundenen strategischen und operativen Maßnahmen. Und da kommen Neuprojekte nicht direkt auf die erste Priorität.
 
War das auch der Fall während der Hochphase der Pandemie?
 
Nein, nicht ganz. Dort waren Digitalisierungsprojekte dennoch beliebte Investitionen. Sobald sich die Unsicherheit jedoch etwas gelegt hat, gehe ich davon aus, dass Software- und Digitalisierungsprojekte wieder an Fahrt aufnehmen werden. Gerade wenn es bei Unternehmen zu einem massiven Lieferkettenumbau oder einer Umstellung im Leistungs- und Produktportfolio kommt, dann bleibt das ohne entsprechende IT-technische Begleitung eigentlich eine Unmöglichkeit.
 
Welche Folgen könnten also auf die IT-Branche im Allgemeinen zukommen?
 
Aus meiner Sicht sind alle potenziellen Folgen noch gar nicht wirklich absehbar. Selbst renommierte Ökonomen und Forschungsinstitute haben noch keine wirklich belastbare Einschätzung darüber, wie es weitergeht. So trifft auch uns die Mischung aus den Themen: Post-Corona-Change, interne Transformation, Ungewissheit und erneutem exogenem Schock. Ich erwarte und erhoffe eine deutliche Steigerung in der IT-seitigen Resilienz, denn wir werden gezwungen sein, unsere IT-Infrastrukturen gegen mehr und massivere Cyberangriffe abzusichern und erleben da sogar noch mal ein Revival des „on premise“ Gedanken; nicht alles an kritischer Software und Daten gehört aus meiner Sicht in eine klassische Cloud, manchmal ist eine gut abgesicherte inhouse Server-Landschaft mit Multiredundanz die bessere Absicherung.
 
Wie könnte man sich auf solche unvorhersagbaren Ereignisse und Risiken vorbereiten? Gibt es bei Euch bereits einen konkreten Plan oder Gegenmaßnahmen?
 
Wir sind selber noch am Anfang unserer Analyse über die potenziellen Auswirkungen. Wir versuchen eine Flexibilisierung unserer bisherigen Fixkosten zu schaffen, die uns im Falle von Krisen besser atmen lässt und standardisieren unsere internen Prozesse in den Bereichen Unternehmensplanung, Reporting, Produktentwicklung und Projektmanagement und haben einige Spitzenkräfte an Bord geholt, die uns bei Change und Transformationsthemen für eine stärkere Krisenfestigkeit begleiten werden. Dann liegt der strategische Fokus verstärkt auf der Vermeidung von zu großen Kunden-, Branchen und Lieferantencluster. Und zu guter Letzt werden wir unsere Versicherungen und unsere IT-Security immer auf dem neuesten Stand beibehalten.
 
Wie sinnvoll sind aus Deiner Sicht Staatshilfen?
 
Bei exogenen Schocks auf dem Niveau der Corona-Pandemie oder wie im Rahmen der Finanzkrise 2008 sind Staatshilfen ein sinnvolles und meistens sogar notwendiges Instrument, um die komplexen ökonomischen und soziokulturellen Verflechtungen nicht innerhalb kürzester Zeit zum Zusammenbruch zu bringen. Aber natürlich darf es nicht übertrieben werden: In der Regel halte ich damit verbundene Rückzahlungsverpflichtungen für keine schlechte Sache, dann ist schnell klar, dass eine Subventionierung kein Geschenk ist.
 
Denkst Du, dass sie womöglich zur „Subventionsmentalität“ in der Führungsetage deutscher Unternehmen führen könnten?
 
Eine „Subventionsmentalität“ würde ich im klassisch-inhabergeführten Mittelstand für quasi nicht existent halten. Der typische Unternehmer in Deutschland will fast vollständig unabhängig sein: Sei es von Banken oder, natürlich, vom Staat. Ein anderes Thema mögen Fördermittel sein, zum Beispiel im Rahmen der Einführung von Software oder bei der Förderung von Lohnkosten im Rahmen von Stellennachbesetzungen. Aber dabei handelt es sich um einen gänzlich anderen Ansatz: Unternehmen, die Fördermittel in Anspruch nehmen, müssen gewisse Verpflichtungen eingehen. Und diese sind im Vorhinein bekannt, sodass eine fundierte Entscheidung über die Nutzung oder Unterlassung von Fördermitteln vorgenommen werden kann.
 
Was wären die Risiken?
 
Neben einer erschwerten Kreditaufnahme durch höhere Finanzierungskosten oder ungünstigen Refinanzierungskonditionen für Unternehmen sehe ich insbesondere die Staatsfinanzen der hoch verschuldeten europäischen Länder im Feuer. Da es allerdings sein kann, dass erneut fremdfinanzierte staatliche Hilfen zur Bekämpfung von Effekten aus dem Russland-Ukraine-Krieg notwendig sein könnten, würde eine Zinsanhebung der EZB damit komplett konträr wirken. Ich vermute, das ist auch genau das Spannungsfeld, in dem sich die EZB befindet und auch dort ist vermutlich einfach noch nicht klar, in welche Richtung sich die aktuelle Krise in wirtschaftlicher Sicht entwickeln wird. Demnach wird die EZB aus meiner Sicht im Sommer zunächst die Anleiherückkäufe beenden und auf preisdämpfende staatliche Subventionierungen hoffen. Erst wenn diese Effekte entweder verpufft oder nicht umgesetzt wurden, dann wird die EZB auf einen Zinsanstieg zurückgreifen müssen. (futureorg/signals)
 
Das Interview führte Hannah Herden vom futureorg Institut.

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