Wirtschaftliche Veränderungen: multiple Disruptionen

Die deutsche Wirtschaft wird von einer Reihe potenziell disruptiver Veränderungen herausgefordert. Viele Unternehmen sehen sich mit mehreren Strukturfragen gleichzeitig konfrontiert: Multiple Disruption droht sogar die stärksten Branchen. Mehr Unterstützung wird gefordert.

Die deutsche Volkswirtschaft sieht sich einer Reihe von grundlegenden Veränderungsprozessen ausgesetzt, die jeweils die Grundlagen bestehender Geschäftsmodelle fundamental infrage stellen. Zu den wichtigsten gehören die Dekarbonisierung der Volkswirtschaften, die Digitalisierung von Prozessen und Produkten, die demografische Entwicklung mit sinkender Erwerbsbevölkerung und Engpässen bei den für die Innovationskraft besonders wichtigen MINT-Fachkräften sowie die internationalen Herausforderungen, die mit zunehmenden protektionistischen Tendenzen und dem Aufstreben Chinas als Konkurrent auf den internationalen Märkten zusammenhängen.
 
Jede dieser Herausforderungen hat das Potenzial, die Struktur der deutschen Volkswirtschaft zu verändern. Der Klimaschutz bedarf einer Neuaufstellung wichtiger Branchen wie der Automobilindustrie und energieintensiver Industrien. Die Digitalisierung bringt neue Wettbewerber und grundlegend veränderte wettbewerbliche Optionen mit sich. Die Demografie droht eine der Stärken Deutschlands im Standortwettbewerb, die Versorgung mit qualifizierten Mitarbeitern, systematisch zu schwächen. Protektionismus schließlich sowie die stärkere Wettbewerbsposition des staatskapitalistischen China verschlechtert die Geschäftschancen der auf internationaler Vernetzung basierten deutschen Unternehmen.
 

Multiple Disruption unterschiedlich gespürt

 
Die Kombination verschiedener Trends, die gleichzeitig wirken, verlangt besondere Aufmerksamkeit. So bestehen für den Klimaschutz große Potenziale durch die Digitalisierung und für die Entwicklung klimaschützender Produkte werden von den Unternehmen vor allem zusätzliche IT-Kräfte benötigt. Ferner besteht ein enger Zusammenhang zwischen Klimaschutzpolitik und der Entwicklung der komparativen Vorteile der deutschen Wirtschaft. Es zeigt sich wiederum, dass es gerade für international tätige deutsche Unternehmen von großer Relevanz ist, wie im Ausland regulatorisch mit Digitalisierung umgegangen wird.
 
Um die Bedeutung von Unternehmen zu vermessen, die von drei oder mehr disruptiven Prozessen konfrontiert sind, werden umsatzgewichtete Umfragedaten verwendet. Legt man diese wirtschaftliche Bedeutung bei der Betrachtung der Disruptoren zugrunde, so sieht man, dass große Unternehmen tendenziell stärkeren Veränderungen unterworfen sind. 70,2 Prozent des Umsatzes von Großunternehmen entfällt auf stark betroffene Firmen. Bei allen Unternehmen sind es nur 58,7 Prozent, bei den kleinen 30,7 Prozent. Keine Relevanz haben die Disruptoren nur für Unternehmen, die 3,9 Prozent aller Umsätze auf sich vereinigen.
 
Bei den kleinen Unternehmen sind es 11,3 Prozent. Auch bei den Branchen gibt es Schwerpunkte der multiplen Disruption. Überdurchschnittliche Betroffenheit ist vor allem in der Gruppe aus Maschinenbau, Elektroindustrie und Fahrzeugbau (umsatzgewichtet 75,6 Prozent) sowie der Metallerzeugung und -bearbeitung (74,7 Prozent) zu verzeichnen. Bei der Chemie entfallen rund zwei Drittel des Umsatzes auf Unternehmen, die von mindestens drei Disruptoren betroffen sind. Weniger Anpassungsbedarf ist bei den unternehmensnahen Dienstleistern, aber auch hier gibt es kaum Unternehmen, die sich nicht auf mindestens eine disruptive Veränderung einstellen müssen.
 

Von Disruption zu Innovation

 
Die hohe Innovationsaffinität der Unternehmen, die mit drei oder mehr Disruptoren gleichzeitig umgehen müssen, bildet eine gute Voraussetzung dafür, die notwendigen innovativen Schritte und Sprünge realisieren zu können. Innovation ist eine zentrale Antwort auf die Herausforderungen. Nur so können Risiken vermieden und vor allem Chancen einer sich verändernden Unternehmensumwelt genutzt werden. Damit die deutsche Wirtschaft die Herausforderungen meistern kann, sollte die Politik die richtigen Weichenstellungen in der Digitalisierungs-, Klima-, Forschungs-, Bildungs-, Zuwanderungs- und Handelspolitik vornehmen.
 
Besonders häufig wird von den befragten Unternehmen die Stärkung der digitalen Infrastruktur durch einen Netzausbau gefordert. Zugleich wird Gewährleistung von stabilem und schnellem Internet genannt, gefolgt von mehr Investitionen in Bildung zur digitalen Ausstattung und Modernisierung an Schulen und Hochschulen sowie einer Förderung von MINT- und insbesondere digitaler Kompetenzen. An dritter Stelle folgt die Stärkung von Forschung und Entwicklung durch mehr finanzielle Förderung vor allem in den Feldern Digitalisierung und Klimaschutz. (iw-köln/futureorg/signals)
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