Whistleblowing: Wie Datenlecks Steuerhinterziehung vorbeugen

Whistleblower helfen nicht nur, unmoralische oder kriminelle Handlungen offenzulegen: Sie können auch Täter abschrecken. Dies zeigt eine Untersuchung am Beispiel von Datenlecks rund um Bankgeschäfte in Steueroasen. Durch Whistleblowing wurden Steuerhinterzieher-Daten enthüllt – und daher integre Verhalten gefördert.

Whistleblower entwenden vertrauliche Informationen, um strafbare Handlungen wie Steuerhinterziehung zu enthüllen. Dafür gelten sie mitunter „als Helden unserer Zeit“, so etwa Alfred de Zayas, ehemaliger UN-Sonderberichterstatter für die Förderung einer demokratischen und gerechten internationalen Ordnung. Bedeutet: Whistleblowing gibt nicht nur Anstoß für Sanktionen gegen einzelne Kriminelle. Das Offenlegen unerwünschten Verhaltens fördert auch integres Handeln.
 
Die auf Empirie fußenden Erkenntnisse von Niels Johannesen, Professor an der Universität Kopenhagen, und Tim Stolper, ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen, stützen diese Hypothese. Wie ihre Untersuchung von Bankgeschäften in Steueroasen ergab, mussten infolge eines Datenlecks bei der Liechtensteiner LGT-Bank auch Schweizer Banken signifikante Kursverluste hinnehmen.
 

Datenlecks beschädigen Steueroasen

 
Für ihre Analyse untersuchten Johannesen und Stolper die Reaktion von Aktienkursen Schweizer Banken, die in Offshore-Steuerhinterziehungsgeschäfte verstrickt waren, auf insgesamt 13 öffentlich bekannt gewordene Datenlecks. Die Haupterkenntnis speist sich aus der sogenannten Liechtensteiner-Steueraffäre, wobei Kundendaten der LGT-Bank an den deutschen Bundesnachrichtendienst verkauft wurden. Die Aktienkurse von Schweizer „Steuerhinterziehungs-Banken“ reagierten auffällig: Nach den Enthüllungen fielen die Kurse um insgesamt 2,2 Prozent.
 
Banken, die halfen, Geld vor den Finanzbehörden zu verheimlichen, mussten offensichtlich durch das Datenleck aus der LGT-Bank eine deutliche Senkung der Gewinnerwartungen hinnehmen. Die Aktienkurse spiegeln stets den Nettobarwert der erwarteten zukünftigen Gewinne wider: Sie steigen angesichts positiver Informationen über zukünftige Gewinne und fallen, wenn negative Informationen auftauchen. Der Rückgang der Aktienkurse zu dem Zeitpunkt des Datenlecks spiegelt diese Tendenz: Die Finanzmärkte erwarteten einen Rückgang der Gewinne aus kriminellen Offshore-Geschäften.
 
So erlitten Schweizer Banken, die in keinem Zusammenhang mit der Offshore-Steuerhinterziehung standen, keine Kursverluste. Weiterhin stellten die beiden Ökonomen fest, dass Banken, die in der Folge überdurchschnittlich hohe Strafen bezahlen mussten, höhere Kursverluste hinnehmen mussten (3,2 Prozent in vier Tagen) als Banken, deren Strafzahlungen unter dem Median lagen (1,4 Prozent in vier Tagen). Zudem gingen die Bankeinlagen in Steueroasen im Vergleich zu Bankeinlagen in Hochsteuerländern um mehr als zehn Prozent zurück.
 

Whistleblowing gegen Steuerhinterzieher

 
Johannesen und Stolper stellten fest, dass später aufgedeckte Steueroasengeschäfte, etwa die Swiss Leaks im Jahr 2009 oder die Panama Papers im Jahr 2016, die Kursentwicklungen der Banken nicht mehr signifikant beeinflussten. Auch dieses Ergebnis stützt die Hauptthese der Wissenschaftler: Nach dem Bekanntwerden des ersten Datenlecks haben die Besitzer illegaler Konten und Briefkastenfirmen sowie ihre Helfer auf Bankenseite ihre Erwartungen angepasst, also das Risiko einkalkuliert, dass ihre kriminellen Machenschaften enthüllt werden. Die im Anschluss bekannt gewordenen Datenlecks stellten keine neue Information in Bezug auf das Entdeckungsrisiko dar.
 
Schließlich untermauerten Johannesen und Stolper ihre Hypothese zum abschreckenden Effekt des Whistleblowings noch mit Statistiken der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. So sanken unmittelbar nach dem Datenleck der LGT-Bank internationale Bankeinlagen in Steueroasen im Vergleich zu Bankeinlagen in Nicht-Steueroasen weltweit um mehr als zehn Prozent. Das lässt darauf schließen, dass es sich bei den von den Ökonomen identifizierten Effekten des Whistleblowing nicht um ein reines Finanzmarktphänomen handelt. Stattdessen hatten die Enthüllungen tatsächlich reale Konsequenzen, nämlich eine abschreckende Wirkung auf Steuerhinterzieher und deren Helfershelfer. (mpg/futureorg/signals)
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