- 17. Dezember 2021
- Die Trendbeobachter
Psychische Gesundheit sinkt während Corona Pandemie
Die zur Eindämmung der Pandemie verhängten Maßnahmen hatten nicht nur wirtschaftliche Auswirkungen, sondern führten auch zu erheblichen sozialen Einschränkungen. Die Effekte der Lockdowns auf die psychische Gesundheit der Bevölkerung untersucht das CovSocial-Projekt – mit bedenklichen Ergebnissen.
Eine Untersuchung des CovSocial-Projekts zeigt die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf das emotionale Befinden und Verhalten von Berlinerinnen und Berlinern. Das Forschungsteam wird von Tania Singer geleitet: Sie ist wissenschaftliche Leiterin der Forschungsgruppe Soziale Neurowissenschaften der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin und Gastprofessorin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. In der Studie wurden die Folgen dieser pandemiebedingten Einschränkungen auf die psychische Gesundheit der Menschen sowie den sozialen Zusammenhalt von Januar 2020 bis April 2021 untersucht.
Eine große Anzahl von Berlinerinnen und Berlinern wurde online dazu befragt, wie sie die Corona-Pandemie erlebt haben und wie sich ihr Leben in dieser Zeit verändert hat. Die Ergebnisse zeigen einen Schockeffekt während des ersten und einen Ermüdungseffekt während des zweiten Lockdowns. Dies führte dazu, dass Personen sich im März 2021 im zweiten Lockdown viel gestresster, ängstlicher und depressiver fühlten als noch ein Jahr vorher im März 2020 im ersten Lockdown.
„Im ersten Lockdown von Mitte März bis Mitte April 2020 litten die Teilnehmenden verstärkt unter Depressionen, Ängsten, Einsamkeit und Stress“, so CovSocial-Forscherin Malvika Godara. Nach den Lockerungen der Maßnahmen sei die Gefühlslage der Befragten besser geworden, das Ausgangsniveau wurde aber nur selten wieder erreicht. „Während des längeren Lockdowns von Oktober 2020 bis in das Frühjahr 2021 sank die psychische Gesundheit erneut und erreichte den bisherigen Tiefpunkt im Verlauf der Pandemie“, ergänzt Godara.
Reaktionen und Bewältigungsstrategien der Bevölkerung
Die Einschränkungen veränderten auch die Anpassungsfähigkeit und den Umgang mit den Herausforderungen des Alltags: „Während der beiden Lockdowns nahmen die Lebenszufriedenheit, der Optimismus und die positiven Gefühle der an der Umfrage teilnehmenden Berlinerinnen und Berliner drastisch ab“, erklärt Tania Singer. Auffallend ist die Reaktion: „Während des ersten Lockdowns gaben die Befragten an, als Reaktion auf den Stress weniger ihre Lage als solche verändern zu wollen, als vielmehr die Situation zu akzeptieren“, so Singer weiter.
Auch der soziale Zusammenhalt zwischen den Menschen litt erheblich durch die Maßnahmen. Sie nahmen viel weniger am sozialen und gesellschaftlichen Leben teil. Jüngere Menschen und Frauen litten am stärksten unter den Einschränkungen. Um die verringerten persönlichen Interaktionen zu kompensieren, nutzten insbesondere Frauen während der beiden Lockdowns verstärkt soziale Medien. Als eine weitere Bewältigungsstrategie verbrachten die Menschen vor allem während des ersten Lockdowns und nach der Lockerung im Juni 2020 mehr Zeit in der Natur und trieben Sport.
Die Konsequenzen der Lockdowns sind aber nicht nur auf zwischenmenschliche Beziehungen beschränkt. Eine Auswirkung zeigt sich auch auf das Bild der Institutionen: „Während das Vertrauen in nahestehende Personen und Nachbarn während der gesamten Pandemie stabil blieb, nahm es in Institutionen wie das Gesundheitssystem und die Regierung am Ende des zweiten Lockdowns deutlich ab“, sagt Singer.
Interventionen für die psychische Entlastung
In der zweiten Phase des Projekts ab Mai 2021 wurden etwa 300 Berlinerinnen und Berliner des CovSocial Projekts eingeladen, an zehnwöchigen mentalen Online-Interventionen teilzunehmen. Das CovSocial-Team will so deren Einfluss auf die Gesundheit, die sozio-emotionale Situation und das Sozialverhalten untersuchen. Die Untersuchung soll Aufschluss darüber geben, welche Personengruppen am meisten geschützt und welche mentalen Interventionen eingesetzt werden müssen.
„Wiederholte Maßnahmen wie mehrmalige Lockdowns bergen die Gefahr, dass die psychische Gesundheit zunehmend leidet und sich nicht mehr erholt. Außerdem nimmt die Einsamkeit in der Bevölkerung mit jeder Schließung zu“, so Singer. Dies könnte schwerwiegende stressbedingte und psychische Erkrankungen wie Depressionen zur Folge haben. Zukünftige Analyse der Befunde soll den Weg aus der Einsamkeit und der mentalen Belastung zeigen. (mpg/futureorg/signals)
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