Handelsszenario 2022: Einzelhandel nach der Pandemie

Der Einzelhandel hat sich während der Coronapandemie insgesamt stabil entwickelt. Einige Branchen leiden aber unter schwierigen Bedingungen – und kämpfen mit großen Verlusten. Zur Einschätzung der Weiterentwicklung des Einzelhandels bietet das IFH Köln die Studie „Handelsszenario 2022“: für eine differenzierte Beschreibung der Zukunft des Handels.

Insgesamt hat die Pandemie den tiefgreifenden Strukturwandel im Einzelhandel weiter beschleunigt. Wachstumseffekte sind jedoch weitestgehend auf den Onlinehandel und teilweise auch auf den Lebensmittelhandel beschränkt. Der von Restriktionen betroffene Nonfoodhandel bewegt sich hingegen in einem extrem schwierigen Umfeld und kämpft nach der Erholungsphase im Sommer und Herbst 2021 mit deutlichen Umsatzverlusten und einem Umsatzniveau. Dies liegt weiterhin vielfach dramatisch unter dem Vorkrisenniveau.
 
Wie wird sich der Einzelhandel in naher Zukunft weiterentwickeln? Eine Antwort bietet die neue Studie „Handelsszenario 2022“ des IFH Köln, Institut für Handelsforschung. Dort wird eine Reihe von Kriterien herangezogen, welche als Grundlage für differenzierende Szenarioannahmen dienen. So beeinflussen unter anderem der Grad des Corona-Einflusses, die Präferenzen und Onlineaffinität der Konsument und die Beschäftigung mit Nachhaltigkeitsmaßnahmen die Weiterentwicklung des Handels.
 Zahl der Einzelhandelsunternehmen nimmt ab
 
Die Studie entwickelt drei Szenario-Varianten, die die Zukunft des Einzelhandels beschreiben sollen. In einer unteren Variante ist der Arbeitsmarkt weitgehend unter Druck. Der Corona-Einfluss kehrt zurück und Preissteigerungen sowie Lieferengpässe werden nicht beseitigt. Bei der mittleren Variante bleiben die meisten Kriterien stabil. Corona-Einfluss, Preissteigerungen und Engpässe nehmen langsam ab. Die obere Variante spiegelt eine optimistische Einschätzung wider: Die Problemkriterien nehmen schnell ab und der Handel wächst erheblich.
 
In allen Varianten soll letztendlich der Einzelhandel wachsen – zwar in unterschiedlichem Ausmaß: von einer 2,5 Prozent Veränderung in der unteren bis hin zum 3,5 Prozent der oberen. Der Onlinehandel wächst soeben unterschiedlich: zwischen 9,8 Prozent und 18 Prozent. So sei es mit einem Zuwachs des Onlineanteils am Einzelhandel zu rechnen. Die Zahl der Einzelhandelsunternehmen soll dagegen in allen Varianten abnehmen – und dabei den Trend der letzten Jahre bestätigen. Zwischen 15.000 und 30.000 Einzelhandelsunternehmen werden bis Ende 2022 den Markt verlassen.
 
Die Zahl der Geschäfte wird voraussichtlich weiter abnehmen. 2022 wird es bis zu 47.000 Geschäfte weniger im deutschen Einzelhandel geben als noch 2020 – bis zu 75.000 weniger im Vergleich zu 2015. In allen Szenario-Varianten verliert primär der klein betriebliche Fachhandel. Zunehmend sind aber auch die Geschäfte von Filialbetrieben von Schließungen bedroht. Dies spiegelt sich im Schauplatz der Innenstadt wider: Innenstadtrelevanten Branchen verlieren stationär in allen Szenarien weiter an Umsatz. In der mittleren Variante verliert der stationäre Einzelhandel 9 Mrd. Euro Umsatz.
 

Corona-Einfluss auf den Handel

 
Der Corona-Effekt verstärkt auch die Wettbewerbsdifferenzierung im Handel durch Bedarfsverschiebungen. Der Fachhandel ist in erheblichem Maße von coronabedingten Sonderkonjunkturen geprägt. Üblicherweise liegen die Unterschiede in den Wachstumsraten der größten „Verlierer“- und „Gewinner“-Branchen bei 10 bis 15 Prozentpunkten: ein riesiger Unterschied zum Jahr 2020 (59,8 Prozentpunkten) und 2021 (64,2 Prozent).
 
Zudem führt Corona zu Ausgabenverzicht. 2020 und 2021 haben fast die Hälfte der Konsument:innen Anschaffungen verschoben oder weniger große Anschaffungen getätigt. Fashionkäufe, gefolgt von Käufen im Segment Wohnen und Einrichten, führen die Rangliste an. Und die Pandemie hat dazu geführt, dass Konsument:innen verstärkt online kaufen. Dabei folgt der Onlineshift den Pandemiewellen.
 
Auch die stationären Einkäufe folgen in der Differenzierung Versorgungs- und Erlebniskauf den Pandemiewellen mit dem Fokus auf Versorgungskäufe. Nur diese sind coronabedingt gestiegen. Die Anzahl der Onlinekäufe sowie die Kaufhäufigkeit hat sich pandemiebedingt erhöht. Nicht zuletzt hat das Thema Nachhaltigkeit beschleunigt durch die Coronapandemie an Wichtigkeit gewonnen: 43 Prozent der Käufer haben deswegen bewusst auf unnötigen Konsum verzichtet. (hde/futureorg/signals)
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