- 9. August 2021
- Die Trendbeobachter
BDI-Forderungen: 7-Punkte-Plan zum Neustart des deutschen Innovationssystems
Das bestehende deutsche Innovationssystem muss mutig reformiert werden, wenn nach der Corona-Pandemie der wirtschaftliche und technologische Erfolg aufrechterhalten werden soll. Der BDI legt einen 7-Punkte-Plan vor, in welchem er konkrete Vorschläge zur Reform des deutschen Innovationssystems empfiehlt. Wirtschaftskapitäne und Experten aus der Beratung würdigen den BDI-Plan kritisch.
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Reaktionen auf den 7-Punkte-Plan
Die Reaktionen auf den 7-Punkte-Plan sind durchmischt. So findet Guido Kerkhoff, CEO bei Klöckner & CO, dass der Plan “viele kluge Impulse bietet”. Vor allem braucht es laut ihm aber einen umfassenden Mentalitätswandel: “Zu oft werden neue Ideen als lästig empfunden und viel zu lange hinausgezögert. Stattdessen müssen Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit Innovationen als das begreifen, was sie sind: Große Chancen für die Zukunft.”
Harald Kesberg von kesberg consulting hingegen blickt kritisch auf den Plan. Der Experte für Innovation und Innovationskommunikation fragt sich, wie der Neustart vollzogen werden soll. “Ich denke auch, entscheidend ist der Mentalitätswandel, eine Änderung der Haltung. Weg vom ‘Haben wir schon immer so gemacht’, ‘Bin ich nicht für zuständig…’, einer überbordenden Bürokratie und einem hinderlichen Perfektionismus. Gefragt ist neues Denken, pragmatisch, lösungsorientiert und über den Tellerrand hinaus. Und das braucht einen ‘Möglichkeitsraum’, eine entsprechende Fehlerkultur, die Ausprobieren und Innovationen ermöglicht”, findet Kesberg. Er befürchtet, dass die in dem Papier formulierten Punkte nicht ausreichen: “Die Situation erinnert mich an Roman Herzogs Rede: Ein Ruck muss durch Deutschland gehen. Das ist jetzt 24 Jahre her…” (BDI/futureorg/signals)
Der 7-Punkte-Plan
Vor dem aufgeführten Hintergrund empfiehlt der BDI für die kommende Legislaturperiode diesen 7-Punkte-Plan:
Die künftige Bundesregierung benötigt einen kohärenten Politikansatz, der den gesamten Innovationsprozess von der Grundlagenforschung bis zur Anwendung in den Blick nimmt und dem sich alle Ressorts verpflichtet fühlen. Im Zentrum dieses Ansatzes sollte eine überschaubare Anzahl klar definierter Missionen mit hoher gesellschaftlicher, wirtschaftlicher sowie technologischer Bedeutung stehen. Um auf breite gesellschaftliche Zustimmung zu stoßen, sollten sie in einem transparenten Verfahren festgelegt werden. Zu den entscheidenden Kriterien gehören: hohe gesellschaftliche und wirtschaftliche Relevanz für den Standort, Umsetzbarkeit, Evaluierbarkeit, legislaturspezifische Etappenziele, Technologieoffenheit sowie eine eindeutige Verantwortungszuweisung innerhalb der Bundesregierung. Entscheidend ist eine marktorientierte Version der künftigen Missionsorientierung, die bei der Lösung von Problemen nicht ausschließlich, aber stark auf Marktkräfte setzt.
Um die Missionen kraftvoll nach vorne zu bringen, müssen alle thematisch berührten Ressorts zusammen in die gleiche Richtung arbeiten. Ein solches abgestimmtes Vorgehen sollte zentral im Bundeskanzleramt mit eigenem Budget und Personal gesteuert werden. Die Aufgabe dieser neuen Funktion sollte im Vorantreiben der einzelnen Missionen, Koordinierung der Ressorts sowie Sicherstellung der engen Einbindung von Expertinnen und Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft liegen. Forschungsförderung sollte bei transparenter Mittelvergabe gezielt in Richtung der Missionen erfolgen. Um die flexible Einbindung der erforderlichen Expertise aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft sicherzustellen, sollte zu jeder Mission ein Innovation Board aufgestellt werden. Diese Innovation Boards müssen inhaltlich verantwortlich für die Initiierung, Umsetzung und den Erfolg ihrer Mission sowie für deren kontinuierliches Monitoring sein. Ein „Zukunftsministerium“ lehnt der BDI ab. Sämtliche Ressorts müssen die Zukunftsfähigkeit ihrer Verantwortungsbereiche selbst im Blick haben.
Die Bundesregierung sollte Reallabore und Experimentierklauseln konsequent in allen forschungs- und innovationspolitischen Vorhaben nutzen. Experimentierklauseln müssen systematisch in der Gesetzgebung verankert werden, z.B. über ein Bundesexperimentiergesetz, welches die Rahmensetzungen für Reallabore grundsätzlich verbessert. Insbesondere sollten Reallabore und Experimentierklauseln bei den Missionen zum Einsatz kommen, um gezielt größtmögliche Dynamik in diesen Bereichen zu erzielen.
Innovationsleistungen werden künftig immer stärker von der Verfügbarkeit qualitativer Daten abhängen. Die Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) ist ein erster, aber bei weitem nicht ausreichender Schritt. Öffentliche Daten müssen zu Forschungszwecken nutzstiftend zusammengeführt werden. Dabei können, wo das wirtschaftlich möglich ist, auch privatwirtschaftliche Daten einbezogen werden. Der BDI bietet an, gemeinsam mit der Bundesregierung, eine Task Force Forschungsdaten aufzusetzen, um Bedarfe und Potenziale noch vor der neuen Legislaturperiode vorzubereiten.
Welche Kompetenzen Deutschland heute und in Zukunft braucht, um wettbewerbsfähig zu bleiben, sollte ein Nationales Kompetenz-Monitoring beantworten, das bis heute nicht existiert. Eine kontinuierliche Analyse von standortrelevanten Zukunftstechnologien sowie deren Kompetenzbedarfe kann einen strategischen Überblick bieten, aus dem konkrete Handlungsempfehlungen ableitbar sind.